The Black Rider-Theater St.Gallen | Oper und Kultur

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The Black Rider-Theater St.Gallen | Oper und Kultur

The Black Rider - Theater St.Gallen

Nichts für schwache Nerven

In einer Wiederaufnahme, die gleichermassen als Premiere mit Vollbesetzung galt, präsentierte das Theater St.Gallen gestern "The Black Rider". Das Schauspiel-Musical trägt die unverkennbare Handschrift des Bühnenkreators Robert Wilson. Vom Komponisten Tom Waits musikalisch untermalt, schliessen die Hauptfiguren in einer Adaption des Freischütz einen Pakt mit dem Teufel. Dass das nie gut ausgeht, kann sich jeder denken. Gut ausgegangen ist es allerdings nicht nur für den Teufel Stelzfuss, sondern auch für die Mitwirkenden, die mit einer Standing Ovation honoriert, eine grandiose Aufführung feiern konnten.

Wiederaufnahme einer Premiere

Während der Pandemie brachte das Theater St.Gallen die Produktion "The Black Rider" nur wenige Male zur Aufführung, musste diese dann aber beenden. Zudem verpflichteten die kontaktbeschränkenden Vorschriften zur strikten Ausdünnung von Inszenierung und Besetzung, samt Chor und Statisten. Um so schöner ist deshalb diese Wiederaufnahme, mit der das ausserordentliche Werk des renommierten Regisseurs und Bühnenkünstlers Robert Wilson nun in vollständiger Besetzung und aufwändiger Kostümierung von Sabine Blickenstorfer präsentiert werden kann.

Narrenpakt für Toren, Trottel, Tröpfe
Doch "Vorsicht, nichts für schwache Nerven!" warnt schon zu Anfang das Beilkind, gespielt von Tabea Buser, die während des Abends in zahlreichen Rollen zum Einsatz kommt.
Nein, zum abhauen ist es jetzt zu spät, die Türen sind geschlossen, das Licht schon aus! Mit einer gehörigen Portion schwarzem Humor lässt sich der Abend aber auch mit einer latenten Herzschwäche ganz gut überstehen.

Nicht so gut überstehen werden es allerdings die Bühnenfiguren, die in einem Pakt mit dem Teufel ihr Schicksal, die Liebe im Besonderen, zum eigenen Vorteil zu wenden versuchen.
So werden die Ratschläge des allseits beratenden Urahnen Kuno, verkörpert durch den Solotenor Riccardo Botta, auf alle Seiten gedreht und gewendet. Verzweifelt nach der passendsten Interpretation suchend: "Tust du was du willst, oder willst du was du tust?", kommen die Dialoge wie aus der Walze einer Drehorgel daher. In Abwechslung zu den zusammenhanglosen Reimen, die fröhlich zwischen drei Sprachen hin- und her springen; Englisch, Deutsch und letztlich authentisch zur Tell-Sage, auch in mancherlei Schweizer Dialekt endet.

Zwischen Fisch und Vogel
Die Geschichte des Freischütz, die das Fundament zum vertonten Schauspiel bildet, steht sinnbildlich unter ständigem Beschuss. Zwischen Fisch und Vogel wird nicht unterschieden, wenn es um die Wilderei im Försterhaus geht. Auch nicht bei den Elementen, aus denen die geschossenen Tiere stammen. Stets die Devise vor Augen; "Kommt was in den Magen, folgt das Herz von ganz allein." Wen schert da noch die Herkunft, wenn zwei sich lieben.

Äusserst Komplex präsentiert sich die Symbolik auch in der restlichen Inszenierung, umgesetzt von Barbara-David Brüesch. Da verliebt sich der Amtsschreiber Willhelm (Pascale Pfeuti) in die Försterstochter Käthchen (Anja Tobler). Weil die Eltern aber einen "echten Kerl" bevorzugen, stellen Sie ihn auf die Probe. Mit einem einzigen Schuss soll er den Apfel auf dem Kopf des Knaben treffen. Allzeit bereit eilt ihm Stelzfuss (Tobias Graupner) zur Hilfe und bietet ihm Freikugeln an, mit der Willhelm alles trifft, was er treffen will. Der Pakt mit dem Teufel kommt ihm aber teuer zu stehen.

Hosenträger
In diesem Sinne zerrt dann auch die Braut Käthchen (Anja Tobler) in der Hochzeitsnacht an den Hosen des Angetrauten Willhelm, der diese dann jammervoll runterlässt, damit die Braut sie anziehen kann.
Wer hier die Hosen anhat, wird spätestens jetzt klar. Und dass Willhelm ein miserabler Schütze ist auch. Hätte er doch das Gewehr lieber seiner Angetrauten überlassen, oder besser nicht?
Die teuflische Dreifaltigkeit, bewegt sich zum Ende über alle Geschlechtergrenzen hinweg und triumphiert beim siebten Schuss in seiner ganzer Tragik.

Über allem stolziert auf dem hohen Ross die Obrigkeit, der Herzog, gespielt von Christian Hettkamp, dessen allzu zerbrechliche Menschlichkeit durch einem epileptischen Anfall für kurze Zeit entblösst wird.
Hinter den vielfältigen Narrativen steckt ein Augenzwinkern. Diese können mit einem einzigen Theaterbesuch wohl nicht in seiner Gänze erfasst werden.

Who is Who?
Autor William S. Borroughs (1914-1997) fundiert das ganze Stück in seiner Adaption auf die berühmte Tell-Szene. Zwischen Drogen und schuldbeladener Homosexualität verschuldet er das Leben seiner Ehefrau, indem er angetrunken in einer Bar versucht, die Sage nachzustellen. Nämlich mit einer Pistole ein Glas auf ihrem Kopf zu treffen.
Die Grundlage seines Werkes basiert auf der ersten Novelle "Der Freischütz" der ersten Novelle von Johann August Apels (1771-1816) "Gespensterbuch". Darin finden sich alle Charaktere des Schauspiels die, ähnlich wie in Goethes Faust, den Pakt mit dem Teufel eingehen.

Der Aufbau des Stücks trägt in seiner Gänze die eigenwillig, ästhetische Handschrift des renommierten Bühnen-Gesamtkünstlers Robert(Bob) Wilson, weltweit bekannt für seine unverkennbaren Produktionen.
Was auf den ersten Blick chaotisch wirkt, ist penibel durchchoreografiert. Denn Wilson nimmt es in seinen statischen Inszenierungen sehr genau, auch was die Positionen auf der Bühne betrifft. Innerhalb dieses engen Korsetts überlässt jedoch er den SchauspielerInnen die Entfaltung ihrer Rolle.

Schlag auf Schlag
Gemeinsam mit dem Komponisten Tom Waits entstand "The Black Rider" als Schauspiel mit musikalischer Untermalung. Tom Waits gelang in seiner Zusammenarbeit mit Wilson und Borroughs ein monumentales Werk, das für das St.Galler Haus von den Musikern der Band 20* (Michael Flury, Lukas Langenegger, Christian Müller und Nicolas Stocker) und den Damen des Theaterchors virtuos gerockt wird.

Eine unvorstellbare Herausforderung meistern auch die Regie, so wie alle Mitwirkenden auf und hinter der Bühne. Besonders wegen den zahlreichen Mehrfachrollen, die mit blitzschnellen Kostüm-Umzügen verbunden sind. Schlag auf Schlag folgen die Auftritte, Schlag auf Schlag die Texte. Höchstes Schauspielniveau mit Tanzelementen, Komik und Tragik also in der Aufführung geboten, bei der das Publikum genau so gefordert ist. Dieses geht aber mit Offenheit, Humor, Phantasie und voller Begeisterung mit.

Weitere Aufführungen bis zum 8. Mai 2024
Infos und Tickets

Carmela Maggi
10. März 2024

Album "The Black Rider"
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Bildrechte: Theater St.Gallen

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