*Forza del destino-Opernhaus Zürich | Oper und Kultur

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La forza del destino - Opernhaus Zürich

Fluch der Oper

Es scheine der seit seiner Uraufführung verhängte Fluch auf der Oper zu liegen meint Regisseur und Intentant des Operhauses Zürich an seiner Premiere von Verdis Oper „La forza del destino“, als er nach er ersten technischen Panne auf die Bühne tritt. „Eine sophisticated Geschichte“ entschuldigt er, die ineinander spiele, seien die Wände des Bühnenbilds-. Und normalerweise auch funktioniere.

Doppelte Ouvertüre
So spielt die Philharmonia Zürich unter der Leitung von Verdi-Kenner Fabio Luisi die Ouvertüre unbeeindruckt weiter, als sich das Zugseil bei der ersten Bewegung des Bühnenbilds verhakt, nicht mehr bewegen lässt und schliesslich der schwarze Vorhang fällt. Das Publikum lacht voller Verständnis. Klar, dass eine Live-Performance seine Tücken mit sich bringt. Es darf zum Lohn die mitreissend und meisterlich-sublim gespeilte Ouvertüre ein zweites Mal geniessen. Obwohl bei der Zweiten eine schier unerträgliche Spannung mitschwingt, ob die Wände nun zu bewegen sind oder nicht.

Maledizione!
„Maledizione“ wird in diesem Moment manch einer hinter der Bühne schimpfen. Und tatsächlich zieht sich der Fluch durch Verdis gesamte Oper mit dem das ungleiche Liebespaar von Leonoras Vater belegt wird. So soll es in der Fortsetzung historischer Missgeschicke noch mehr Pannen geben an diesem Abend. Diese werden –„Show must go on!“- von den Protagonisten gekonnt in die Szenerie eingebunden. Wie etwa, mit einen herzhaften Tritt von J’Nai Bridges gegen die abermals blockierte Wand. Auch wenn die präzise Phrasierung noch ausbaufähig ist, bringt sie als Preziosilla mit ihrem spektrum-ausfüllendenem Mezzo und markanter Erscheinung zusammen mit Jamez McCorkle ordentlich Pfeffer in die Vorstellung. Der stolpert gleich im ersten Akt übel über eine der ausfahrenden Treppen. Etwas zu übermütig aus der Hölle emporsteigend muss er dann vor Schmerz ordentlich die Miene verziehen bevor er den Mastro Trabuco gibt.

Auch bei der Solobesetzung spielten sich, wie später bei der Premierenfeier erklärt, bereits im Vorfeld Probleme ab. So dass Alvaro, für den Yonghoon Lee vorgesehen war, durch Marcelo Puente und für die Rolle des Fra Melitone vorgesehene Ruben Drole durch Gezim Myshketa ersetzt werden musste. Zugegeben keine idealen Voraussetzungen, die die Beiden dennoch ordentlich meistern. Auch wenn Puentes Tenor mit zeitweise gepressten Vibratos und schrägen Arienschlüssen missfiel. Kleine Missgeschicke von denen er sich schnell erholte und nicht zuletzt durch seine Bühnenpräsenz und überzeugendes Spiel wettmacht. Myshketa zeigt sich als Fra Melitone gekonnt zwielichtig. Der Komponist widmet seine komische Seite voll den kirchlichen Ritualen. Souverän durch herangereifte Sicherheit und Vollkommenheit zeigt sich der satte Bariton George Petean als Leonoras Bruder, hin- und her geworfen zwischen Dankbarkeit und Rache.

Vogelfrei
Absolut fehlerfrei schwebt über all dem das Hausdebut der russischen Primadonna Hibla Gerzmava als Leonora. Mit ihrem unerschütterlichen an Obertönen gesättigten Sopran, der bei dem jeder Ton bombensicher sitzt, scheint sie mit der Leichtigkeit eines kraftvollen und doch feingefiederten Paradiesvogels über Orchester, Chor und ihre männlichen Kollegen hinweg zu schweben. Eine unnachahmliche Fähigkeit, die zeitweise –Augen zu- die Hässlichkeit der Szenerie vergessen lässt.

Chor-eografie
Der für Verdi-Opern so wichtige Chor der Oper Zürich, bildet gemeinsam mit dem Zusatzchor und Chorzuzügern dank der Einstudierung mit Janko Kastelic und der Choreografie des neuen St.Galler Tanzchefs Kinsun Chan einen grandios klingenden Hintergrund. Szenisch von den Frauen verrückt-dramatisch und von den Männern eher komisch umgesetzt, bilden die individuell gestalteten Charaktere nicht zuletzt durch die genial-bizarren Kostüme ein für die Solisten unerschütterliches Rückgrat, bei dem es viel zu entdecken gibt.

Liebe und Krieg- Himmel und Hölle
Trotz der ausgeklügelten Kostüme von Mechthild Seipel, die vor der allzu radikalen Kargheit von Hartmut Meyers Bühnenbild die bildnerische Hauptrolle spielen können, wirkt Andreas Homokis Inszenierung etwas einseitig. Mit der Absicht vom Naturalistischen wegzukommen, das zu viel Komik in die Dramatik eingebracht hätte, widmet er dem Kriegsgeschehen zwischen den Völkern mehr Raum als dem schicksalshaften Liebesspektrum der jungen Leute. Der Schönheit absolut keinen Raum widmet hingegen das Bühnenbild. Dessen Boden zeigt sich schräg zum Publikum hin gewandt mit glanzlosen Schwarz-Rot-Streifen. Darin eingefügt eine M-förmige Wand in Grau-Weiss. Die Mitte bildet ein variabler Würfel aus dem im geöffneten Zustand ein rotes Rohr, einem Höllentor gleich in Form eines Kanonenlaufs empor ragt. Beinahe zirkusgleich steigen daraus die Zeit-Krieger hervor und stellen sich allem Liebenden in den Weg. Beim Schlussapplaus der ausverkauften Premiere mischen sich für das Leitungsteam einige Buhrufe unter das Klatschen das schon nach einem Vorhang abstirbt. Gut besucht ist die Premierenfeier trotzdem. Die erweist sich allein wegen der brisanten Hintergrundinformationen als lohnend.

Ganze Geschichte kurz
Das Libretto erzählt von einer Familie der spanischen Aristokratie im 18. Jahrhundert. Vater Marchese di Calatrava, Sohn Don Carlo di Vargas und Tochter Donna Leonora. Letztere verliebt sich in einen jungen Eingeborenen aus einem zwar edlen Inkageschlecht, was den Vater jedoch herzlich wenig interessiert. Weil er für seine Tochter andere Pläme hat, stellt er sich den Liebenden in den Weg.
Als die beiden durchbrennen wollen, versucht der Vater genau das zu verhindern. Dabei löst sich ein Schuss aus Pistole des Liebenden Don Alvaro. Der Marchese bricht zusammen und verflucht seine Tochter mit seinen letzten Worten. Tatsächlich lässt Homoki den Geist des Vaters während der gesamten Oper präsent sein, was den Worten des Alten schaurigen Nachhall verleiht. Christof Fischesser verkörpert die Doppelrolle als Marchese und Padre Guardiano mit klarem, imposantem Bass.

Heimatlos flieht Leonora als Mann verkleidet um der Rache ihres Bruders Carlo zu entgehen. Das Liebespaar verliert sich "Kraft des Schicksals" aus den Augen.
Carlo der sich als Student ausgibt lässt sich von Preziosilla als Soldat anheuern.

Leonora hofft in einem Kloster Erlösung zu finden und zieht sich vor der apokalyptisch-bösen Welt zurück. Im Krieg werden die beiden nichts ahnenden Männer Freunde nach dem Alvaro Carlo das Leben rettet. Als dieser aber herausfindet, wer Alvaro ist, beschliesst er ihn zu töten. Es kommt zum Duell bei dem Carlo stirbt und seine Schwester mit in den Tod reisst. Von zwei Harfen begleitet entschwinden die beiden ins Himmelreich während Alvaro innerlich zerstört zurückbleibt.


Vorstellungen noch bis zum 28. Juni 2018
Infos und Tickets

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Carmela Maggi
27. Mai 2018