*Italiana in Algeri-Opernhaus Zürich | Oper und Kultur

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*Italiana in Algeri-Opernhaus Zürich | Oper und Kultur

L`Italiana in Algeri- Opernhaus Zürich

Eiertanz
In einem opulenten und gleichsam ausgeklügelten Geniestreich präsentiert das Opernhaus Zürich die Premiere von Rossinis komischer Oper «L'italiana in Algeri». Von den Salzburger Pfingstfestspielen übernommen, zeigt sich die Inszenierung, auch dank künstlerisch präziser Umsetzung, brüllend komisch, deswegen aber nicht weniger tiefgründig und erntet vom Publikum die verdienten Standing Ovations.


Menschliche Begierden
Gioachino Rossini gilt als DER Unterhalter unter den Komponisten. Seine komischen Opern sind auf den ersten Blick zwar leicht verdaulich, jedoch in der tieferen Bedeutung sozialpolitisch pikant, bis provokativ und auch in der künstlerischen Ausführung absolut nicht zu unterschätzen. Koloraturen, aber auch die mehrstimmigen Rezitative verlangen nach hart trainierter Präzision bei Einsatz und Artikulation, aber auch im Zusammenspiel zwischen Protagonist*innen und Orchester. Das alles fest im Griff zu haben gelang Gianluca Capuano in der musikalischen Leitung mit Orchester, Chor und den Sänger*innen auf höchstem Niveau. Nach Ende der Pandemie-Einschränkungen gewissermassen aus der Versenkung geholt, darf das Orchester wieder aus dem Graben des Saals spielen.
 
Für die Umsetzung nutzte das Opernhaus Zürich die Gelegenheit, die gesamte Produktion von den Salzburger Festspielen zu übernehmen. Damit erklärt sich das aufwändige und funktionelle Bühnenbild von Christian Fenouillat in das sich die Kostümierung von Agostino Cavalca perfekt einfügt.
Durchtrieben und zum Schreien komisch dabei die geniale Inszenierung des unzertrennlichen Regie-Paars Moshe Leiser und Patrice Caurier. Dem Grundmotiv des Komponisten folgend, das die nur allzu menschlichen Begierden nach Sex, Macht und Reichtum auf den Plan ruft, gestalten sie die Aufführung mit gekonnter Gratwanderung zwar originaltreu, jedoch ohne dabei in seichten Kitsch und Slapstick zu verfallen.
 
Auch die Kamele und Geier tun es
Unter islamistischen Gebetsrufen öffnet sich die Szenerie im Schlafzimmer von Mustafà (Pietro Spagnoli) und seiner Frau Elvira (Rebeca Olivera). Sie versucht den ermüdeten Ehemann vergeblich zu bezirzen und greift dazu immer tiefer in die weibliche Trickkiste, ja haut ihm förmlich die Glöckchen ihres Bauchtanz-Kostüms um die tauben Ohren. Nichts zu machen, tote Hose!
Selbst die Kamele in der einfallsreichen Videoinstallation über dem Ehebett, jagen sich als Projektion verborgener Sehnsüchte bis hin zur orgiastischen Verwandlung als Geier-Vogelpaar in einem Palmennest. Das Publikum bricht in Kichern und Lachen aus, von dem es sich bis zum Rest der Oper nicht mehr erholen wird.
 
Um seinem männlichen Unvermögen die Krone aufzusetzen, wird Mustafà auch noch wütend und will seine Frau loswerden. Dafür spannt er seinen zwielichtigen Kumpan Haly (Ilya Altunkhov) ein. Der Plan ist, sie seinem italienischen Lieblingssklaven Lindoro (Lawrence Brownlee) zur Frau zu geben. Doch Lindoro denkt gar nicht daran. Er schmettert eine Arie der Sehnsucht nach der Heimat und seiner Geliebten Isabella (Cecilia Bartoli).
 
Taschentücher für Anfängerinnen
Haly fallen währenddessen die Passagiere eines italienischen Schiffs in die Hände, das vor der Küste Algiers zerschellt ist. Unter den Gefangenen befinden sich nicht nur die italienische Fussballmannschaft, sondern auch Isabella. Auf der Suche nach ihrem Geliebten Lindoro, sieht sie sich zunächst in einer ausweglosen Situation. Maliziös bedient sie sich ihrer fraulicher Waffen, um sich aus der misslichen Lage zu befreien.
Kurzum macht Isabella den eigenen Ehemann Taddeo (Nicola Alaimo) zum Anstandsonkel und nähert sich innerlich angewidert Mustafà, den es schon lange nach Frischfleisch gelüstet. Ein Geschlechterkampf im Ring beginnt, dem Mustafà von Anfang an ausweglos unterlegen ist.
Heimlicher Beobachter wohl bewusst, räkelt sich die schöne Italienerin in der Badewanne. Dabei streckt sie pikante Körperteile aus dem Schaum hervor und lässt ganz zufällig, Taschentücher sind für Anfängerinnen, ihre Unterwäsche so lange herumfliegen, bis Mustafa erste Hilfe braucht. Kunstgriffe, die Isabella später grossmütig mit Elvira teilt, die förmlich an ihren Lippen hängt.
Um die trägen, alternden Herren samt Mannschaft ruhig zu stellen, kommen die Nudeln folglich höchstens in Form von Spaghetti auf dem Teller serviert zum Einsatz, mit denen sie die Männer abspeist und danach zufrieden zur Ruhe bettet.
 
Glasklar
An der Seite von Cecilia Bartoli in der weiblichen Hauptrolle, die ihr gesanglich und spielerisch auf den Leib geschrieben scheint, Lawrence Brownlee. Sein sublimer, glasklarer Tenor vollbringt in treuer Liebe zu Isabella wahre Stimmwunder, indem er jede einzelne Koloratur punktgenau ausführt. Eine Leistung, die den grössten Applaus an diesem Abend erntet.
Pietro Spagnoli und Nicola Alaimo, jene wohlbeleibten Klötze (Mustafà und Taddeo) an den weiblichen Fussfesseln, spielen und singen ihre Rollen nicht minder überzeugend. So auch Ilya Altukhov als Chef-Delinquent mit seiner Herrenchor-Bande. Sopranistin Rebeca Olivera vollführt als Elvira einen gekonnten Bauch- und Eiertanz, bei dem das Temperament der gebürtigen Mexikanerin selbst unter obligaten Schleiern markant hervorsticht.
 
Weitere Aufführungen bis zum 5. April 2022

Termine und Tickets mit Interwiew Cecilia Bartoli

Carmela Maggi
10. März 2022


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