Iphigéne en Tauride - Opernhaus Zürich
Schöne Tragödie
Der Intendanz des Zürcher Opernhauses gelingt es nach langer Zeit, die Mezzosopranistin Cecilia Bartoli endlich wieder für eine Titelrolle zu begeistern. Als Priesterin in Glucks Oper "Iphigénie en Tauride" zeigt die Ausnahmekünstlerin ganz neue Seiten ihrer Stimme. Ohne Schnörkel schafft sie es, ihr Publikum hundert Minuten lang in einen stummen Bann zu ziehen. Orchester, Solisten, Statisten und Chor stehen ihr dabei in nichts nach.
Anarchie der Oper
Christoph Willibald Gluck folgt zwar mit der Darstellung Griechischer Mythen dem damaligen Zeitgeist. Dennoch durchbrach er mit „Iphigénie en Tauride“ die Anarchie in den Opernhäusern, bei der die Protagonisten sich frei fühlten, völlig werkfremde Arien zu singen, wenn ihnen gerade danach war. Die Oper war das drittletzte Werk des Komponisten, das 1779 in Paris seine Uraufführung feierte. Es mag einige überraschen, wie melodiös und anmutig Glucks heute nur noch selten aufgeführte Werke sind. Besonders dem Damenchor schrieb der Komponist der Frühklassik hinreissende Passagen auf den Leib.
Stille Betroffenheit
Die in Französisch verfasste Oper schrieb Gluck kompakt und ohne jeglichen Firlefanz. Die damals so beliebten Tänze hätten, genauso wie Jubelrufe und Applaus eines unkonzentrierten Publikums, in dieser Familientragödie mit seinen Scheusslichkeiten absolut keinen Platz gehabt. Es mordet der Vater die Tochter, die Mutter aus Rache den Vater, schliesslich der Sohn die Mutter und bleibt alleine zurück.
Iphigénie, die durch einen Tausch überlebt, schlägt als Priesterin auf Tauris ihre Zelte auf. Als Pylade und Oreste, scheinbar wie Strandgut angespült, vom Heer des Königs Thoas aufgelesen und geopfert werden sollen, erkennt Iphigénie in einem von beiden ihren Bruder. Gerade noch rechtzeitig rettet die Erkenntnis das Leben des männlichen Liebespaars.
Einfach brillant
Die Rolle der Iphigénie bietet gesangliche Herausforderungen, bei denen Cecilia Bartoli als Oberpriesterin nicht wie sonst mit Koloraturen punkten kann. Voll Inbrunst wagt sie sich dennoch in das lyrische Fach und verleiht ihrer an Obertönen reichen und brillanten Stimme einen dramatischen Ausdruck. Die Bühnenpartner Stéphane Degiu und Fréderic Antoun als Oreste und Pylade, aber auch Brigitte Christensen als Diana und Jean-François Lapointe als Thoas, stehen ihr in nichts nach.
Nein, sie macht keine halben Sachen! Mezzosopranistin Cecilia Bartoli gibt immer alles. Ganz in Schwarz gekleidet, das Antlitz voller Asche steht sie vor einer komplett schwarzen Bühne in unvergleichlicher Präsenz voll im Rampenlicht stärkster Emotionen.
Dabei klebt ihr der Frauenchor mit Ausdruck und sauber intonierter Präsenz fest an den Fersen. Der Männerchor mit Augenbinden versehen und die Statisterie machen es ihnen nach.
Licht der Ewigkeit
Für den würdigen Rahmen sorgen nicht nur das hauseigene „Orchestra la Scintilla“ mit den Originalinstrumenten, das unter der Leitung von Gianluca Capuano musikalische Höhenflüge bietet. Auch die Ausstattung, die schlicht und edel zugleich, eine zur Handlung passende und ausgeklügelte Technik zum Vorschein bringt.
So erinnert die Bühne dem Schwarz eines Tunnels, der zeitweise rundherum aufbricht, um das Licht der Ewigkeit hindurch zu lassen. Wie ein Geburtskanal im astralen Sinn, während aus dem Boden die Geister erscheinen, um die Toten zu empfangen. Andreas Homoki gelingen gemeinsam mit Ausstatter Michael Levine packende Szenen-Bilder die kaum Luft zu Atmen lassen. Zum Schluss jubelt das bis auf den letzten Platz ausverkaufte Haus dankend für die grosse Leistung des Ensembles.
Weitere Aufführungen bis zum 28. Februar 2020
Infos und Tickets
Carmela Maggi
6. Februar 2020