Un ballo in maschera- Opernhaus Zürich
Zwischen Tragik und Komik
Auf einer kreisrunden Bühne präsentiert das Opernhaus Zürich Verdis "Un ballo in maschera". Rund prägt sich auch die Inszenierung von Adele Tomas ein, indem sie das Ende mit dem Anfang verknüpft. Unter der Musikalischen Leitung von Gianandrea Noseda und den eingesetzten Solistinnen und Solisten spannt sich damit ein homogener Bogen zwischen Tragik und Komik und entführt den voll besetzten Saal in die Welt Abraham Lincolns. Amerika ist mit dieser Aufführung in jedem Fall eine Reise wert.
Kreis des Lebens
Der Kreissaal, in dem die männliche Hauptfigur Riccardo während der Ouvertüre vor dem Männerchor in den Reihen obduziert wird, nimmt den unausweichlichen Verlauf der Oper vorweg und ist nur einer von mehreren Kunstgriffen in der Inzenierung von Adele Thomas. Gianandrea Noseda und sein Orchester lichten damit die Anker und führen den voll besetzten Saal am Sonntag während der Premiere von Verdis "Un ballo in Maschera" auf eine bewegende Reise in das Amerika Abraham Lincolns. Auch wenn die eingängigen Chorpassagen hier und da dem Takt entgleiten. Korrekt und solide mutet hingegen die Ausstattung von Anna Clark an, die "very britisch" eine Grundlage für die Handlung zwischen Tragik und Komik bildet.
Gefährliche Oper
Dass ein Gang zur Oper nicht ungefährlich ist, zeigt die Geschichte von mehreren Souveränen, die quasi auf dem Präsentierteller einem Anschlag zum Opfer gefallen sind.
Bereits 1943, 16 Jahre vor der Uraufführung seiner Oper "Un ballo in maschera, hatte Giuseppe Verdi die Idee, nach Shakespeares Vorlage "König Lear" ein neues Werk zu komponieren. Er begann seine Arbeit mit der damals schon abgedroschenen Vorlage «Gustave III. ou Le bal masqué», die eine Verschwörung um den Schwedischen König beschrieb. Dieser galt mit seinen revolutionären Ideen als aufgeklärter Despot, weswegen sein Leben mit seiner Ermordung endete, als er sich auf einem Maskenball in der Stockholmer Oper aufhielt.
Der Zensur entkommen
Dieser geschichtliche Hintergrund musste jedoch vom Komponisten aufgrund einschränkender Auflagen angepasst werden. Die Darstellung von der Ermordung eines Souveräns galt als zu aufrührerisch und hätte die Unruhen im Neapel der 1850er-Jahre zusätzlich angeheizt. 1856 wurde auf den Herrscher der Stadt ein Anschlag verübt. Darauf folgen in Europa weitere Anschläge, ebenfalls auf Napoleon III. während sich auf dem Weg zur Oper befand.
Verdi beschwerte sich wegen der Verbote in einem Brief. Er habe kaum ein Thema für eine tiefgründige Oper zur Verfügung ohne Mord, uneheliche Geliebte und vor allem ohne Maskenball. Seine Oper präsentierte er deshalb in Rom. Dort erhielt er die Erlaubnis unter den Bedingungen, dass die Handlung an einem anderen Ort spielt und der König durch einen Grafen ersetzt wird. So hatte Verdi den Einfall, die Handlung des ursprünglichen Librettos nach Boston in Amerika zu verlegen, auch weil die neue Lebensform bereits zu dieser Zeit in Italien ihren besonderen Reiz hatte.
Amerika
Aus dem König machte er also den Gouverneur Riccardo, gesungen von Charles Castronovo, dessen Gesicht auf verschnörkelten Wahlplakaten der Stadt prangt. Zwischen ihm und ihrem Ehemann Renato steht Amelia, in einem Rollendebut von Erika Grimaldi verkörpert. Dank italienischer Schule brilliert sie mit ihrer Stimmleistung und gilt als Entdeckung des Abends, das in allen Farbtönen über das Orchester hinwegschwebt, ja selbst im Pianissimo in alle Ecken des Saales zu dringen vermag. Sie zieht besonders bei der Arie "Morrò, ma prima in grazia" das Publikum in ihren Bann, das prompt mit begeisterten Bravorufen reagiert. Castronovo und der Bariton George Petean als Renato hielten sich, technisch ebenso ausgefeilt, tapfer neben diesem Ausnahmetalent. Durch ihre unnachahmliche dunkle Präsenz und Stimmkraft brillierte auch Agnieszka Rehlis als Wahrsagerin Ulrica. In einer der seltenen Hosenrollen Verdis überzeugte Katharina Conradi als Diener Oscar. Sie fällt besonders durch schillernde Koloraturen, ihr komisches Talent und gekonnte Tanzeinlagen als putzmunteres i-Tüpfelchen auf.
Weissagung oder Verschwörung?
Riccardo, der über die Weissagung von Ulrica lacht, macht sich mit seiner Arglosigkeit zum Opfer einer Verschwörung. Amelia, zwischen beiden Männern hin- und hergerissen, wird vom Kreis der Verschwörer als Freiwild betrachtet und sexuell belästigt. Zum Beweis ihrer Loyalität wird sie zudem gezwungen, die Karte mit dem Namen zu ziehen, wer Riccardo auf dem folgenden Maskenball erschiessen soll. Es ist Renato, der mitten im fröhlichen Getümmel zwischen Ausgelassenheit und jauchzenden Can Can-Tänzen die Pistole auf sein Opfer richtet. Damit schliesst sich der Kreis des Lebens. Zumindest für diesen Premierenabend mit zufriedenem Beifall und dem Nachklang von Verdis unvergleichlicher Musik.
Vorstellungen noch bis zum 19. Januar 2024
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10. Dezember 2024