Credo | Oper und Kultur

Oper und Kultur

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Credo | Oper und Kultur

Credo

„Kunstwerke sind von einer unendlichen Einsamkeit und mit nichts so wenig erreichbar als mit Kritik. Nur Liebe kann sie erfassen und halten und kann gerecht sein gegen sie.“
Rainer Maria Rilke „Briefe an einen jungen Dichter“


Eine Kritik oder Rezension sagt mehr über die Verfasserin/den Verfasser selbst aus, als über das Werk oder die Künstlerin/den Künstler. Denn wer für eine oder mehrere Produktionen auf, hinter der Bühne oder in der Organisation tätig war begreift, wie hoch der Aufwand für den Prozess einer Aufführung tatsächlich ist. Nicht selten sind es mehrere hundert Menschen, die gemeinsam mit Ehrgeiz und Herzblut alles daransetzen, diese für ihr Publikum zum Gelingen zu bringen.

Regie, Assistenz, Dramaturgie, Orchester, Chor, Statisterie, Tanzgruppe, Darstellerinnen und Darsteller, Korepetition, Soufflage, Organisation, Öffentlichkeitsarbeit, Finanzierung, Disposition, Garderobe, Hausdienst, Verpflegung, Kasse und Platzanweisung. Nicht zu vergessen die Rettung, Feuerwehr, Sicherheit aber auch alle technischen und künstlerischen Arbeiten für Bühne, Licht, Ton, Überschriften, Requisiten, Kostüm, Maske und schliesslich die Inspizienz, bei der die Fäden an der Aufführung alle zusammenlaufen.

Jedes Mal eine unvorstellbare Leistung von jedem Einzelnen, der für ein Theater in drei Sparten oder ein Open-Air-Spektakel mitarbeitet. Ein hochkomplexes Zusammenspiel von Spezialistinnen und Spezialisten, die ihr Innerstes herausholen, um mit Begeisterung auf höchstem Niveau eine Oper oder eine Operette, Tanzaufführung, ein Schauspiel oder Musical zu erarbeiten. Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt werden dafür zusammengetrommelt, arbeiten Hand in Hand für die Performance. Es wird geprobt, verhandelt, diskutiert, gekämpft und gestritten, doch spätestens zur Premiere immer ein gemeinsamer Weg gefunden, das Werk live auf die Bühne zu bringen auch wenn es ab und zu an Wunder grenzt.

Nicht wie bei einem Film-Set, in dem eine Szene mehrmals eingespielt werden kann, auch wenn dort oft aus Kostengründen die Zeit dafür fehlt.
Auf der Bühne muss alles auf Anhieb sitzen, denn es gibt keine zweite Chance, keinen zweiten Anlauf. Was immer auch passiert.
Selbst wenn die Bühnenausstattung es nicht durch die Zollbehörde des Nachbarlandes schafft. Es stark auf die offene Bühne herabregnet und der ganze Chor für die Inszenierung gezwungen ist, zentimetertief im Wasser zu liegen. Die Sopranistin sich beim Stolpern ein Bein bricht oder ein Mann aus dem Publikum plötzlich not-verarztet werden muss. Eine Kulissenwand bei jeder Bewegung hängen bleibt, die Synchronität von Chor und Orchester auseinander fällt, weil die Akustik an jenem Abend nicht mitspielen will. Die Klosterkatze während der Ouvertüre in aller Seelenruhe quer über die Open-Air-Bühne spaziert, oder der gebuchte Esel nach der wunderbaren Tenorarie ganz verklärt stehen bleibt und sich nicht mehr von der Szene wegbewegen lässt. Ob zum Schmunzeln oder nicht - Show must go on!

Mit Hochachtung vor diesem Hintergrund an eine Kritik, Buchrezension oder ein Portrait heranzugehen, ist mein Credo. Zu versuchen, Eigenheit, aber auch Intension von Mensch und Werk zu verstehen und wiederzugeben. Immer das Ziel im Visier, Menschen zu Kunst und Bildung zu führen, ihnen einen verständlichen Leitfaden mitzugeben, aber auch auf Talente aufmerksam zu machen.
Die Beobachterseite will doch letztlich etwas von der Seele der Künstlerinnen und Künstler kennen lernen, Punkte der Identifizierung suchen, Erfahrungen reflektieren. Sich aber auch treiben lassen, die Fantasie nähren und Neues dazulernen. Auch wenn Fähigkeiten und Bildung der Schaffenden auf höchster Ebene geformt sind, ist dies bei Weitem nicht genug. Wahre Kunst ist es doch, sich über diese Technik hinaus zu erheben und die Geschichte, in welcher Form auch immer, zu erzählen, andere Menschen mitzureissen, emotional und geistig zu packen. Genau das zu erreichen, ist der höchste Anspruch überhaupt. Ist es nicht das, was wir in der Kunst wahrhaft suchen und was uns innerlich ausfüllt?

Bleiben Sie Zuhause, nehmen ein schönes Buch zur Hand? Oder ziehen Sie etwas Besonderes an, setzen sich alleine oder mit geliebten Menschen in die Reihen, lassen sich inspirieren, geniessen hochstehende Sprache und Musik, lernen interessante Menschen kennen und feiern mit?

Wie Sie sich auch entscheiden: Viel Spass beim Lesen!

Carmela Maggi